Geheimnisse, Residenz München

Einst und Jetzt – ein virtueller Rundgang um die Residenz zwischen 1826 / 2013

Wer die neue Pinakothek besucht, stößt im Rundgang durch die Säle des frühen 19. Jahrhunderts auf eine Zahl schöner Gemälde von der Hand Domenico Quaglios (1787-1837), Mitglied einer weitverzweigten, ursprünglich aus Italien stammenden Künstlerfamilie von Malern, Architekten und Bühnenbildnern, die im Gefolge des Kurfürsten Karl Theodor Ende des 18. Jahrhunderts nach München kam.

Die zwischen 1822 und 1828 entstanden Bilder zeigen Ansichten der Residenz und ihrer städtischen Umgebung zu dem Zeitpunkt, als Ludwig I., seit 1826 frisch gebackener König von Bayern, begann, mit Hilfe seines Hofarchitekten Leo von Klenze das Gesicht der gewaltigen ererbten Schlossanlage nachhaltig zu verändern und die Residenz durch neue klassizistische Erweiterungsbauten umzugestalten. Insofern sind Quaglios detailgenaue Darstellungen späte und dadurch sehr wichtige Bildquellen der Residenzgeschichte, zeigen sie doch noch einmal – und mit vielen Details – die ältere Schlossanlage, wie sie sich im Äußeren seit den großen Baukampagnen, die Maximilian I. zu Beginn des 17. Jahrhunderts initiiert hatte, präsentierte. Es ist reizvoll, diese gemalten Dokumente eines Zeitgenossen Ludwigs und Klenzes mit der heutigen baulichen Situation zu vergleichen – starten wir also einen kleinen Spaziergang entlang der Residenzstraße und durch den Hofgarten:


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Auf dieser Ansicht Quaglios von 1822 blickt der Betrachter vom heutigen Odeonsplatz aus nach Norden auf das schon damals dort befindliche Kaffeehaus Tambosi. Hinter seiner schmucken Rokoko-Fassade erhebt sich das gewaltige Trumm der kurfürstlichen Reithalle, in der im 17. Jahrhundert auch höfische Reiterspiele mit Kostüm und Musikbegleitung stattfanden.


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Heute: Sind die Räume des Tambosi integriert in die Arkadenbebauung, die Klenze um den Hofgarten herumzog und in deren westlichen Abschnitt das sogenannte Bazar-Gebäude errichtet wurde, eine Art Einkaufsgalerie mit edlen Geschäften. Für diese Neubauten die barocke Reithalle abzureißen dürfte dem klassizistischen Architekten ein persönliches Fest gewesen sein, hatte er doch schon einige Jahre zuvor, noch im Auftrag von Ludwigs Vater, König Max I. Joseph, im Osten der Residenz, am heutigen Marstallplatz, eine elegante Alternative errichtet.


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Drehen wir uns jetzt um 180 Grad und blicken mit Quaglio die Residenzstraße entlang Richtung Marienplatz. Das zurückgesetzte Gebäude links mit der reichen, aber 1826 schon ziemlich verblassten Fassadenmalerei ist die berühmte Galerie der Kurfürstin Henriette Adelaide aus den 1660er Jahren. Es muss sich um einen wunderschönen Raum gehandelt haben mit seiner reichen Ausstattung und dem elaborierten emblematischen Bildprogramm.


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Das alles half der barocken Architektur aber nicht: Die Farben auf Quaglios Gemälde dürften noch nicht trocken gewesen sein, als Klenze die Galerie abriss, um Platz für den neuen Königsbau zu schaffen, dessen westliche Flanke mit der sogenannten Königin-Mutter-Treppe heute den alten Platz der Galerie beansprucht.


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Der Osten der Residenz war baulich von jeher ein Problem – Hier befanden sich bis ins 19. Jahrhundert die Reste der mittelalterlichen Neuveste, der Kern der heutigen Schlossanlage, und hier hatte im 18. Jahrhundert ein verheerender Brand gewütet, dessen Ruinen letztlich nie beseitigt worden waren. So pittoresk und dörflich die Häufung von kleinen Gebäuden auf Quaglios Leinwand wirkt, so sehr störte sie den Architekten und seinen königlichen Bauherrn, die hier ein repräsentatives Forum planten. Quaglio zeigt uns von links nach rechts entlang des einstigen Burggrabens die Rückseite des Nationaltheaters, daneben das von Cuvilliés geschaffene Hofopernhaus und die Reste der Neuveste.


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Heute sieht an dieser Stelle vor allem den modernen Erweiterungsbau des Theaters, hinter dem sich die Front von Klenzes Allerheiligenhofkirche leider verstecken muss, während rechts der Eingangsbereich des sogenannten Festsaalbaus anschließt, den er bis 1842 errichtete. Die Kriegszerstörungen, der Wiederaufbau und die zahlreichen baulichen Erweiterungen der hier beheimateten Kulturinstitute haben von der einstigen Forumsidee kaum mehr etwas übrig gelassen…


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Zum Schluss noch ein Blick aus dem Hofgarten nach Westen, Richtung Brienner Straße: Links der Verbindungsgang aus maximilianischer Zeit, der die Neuveste seit dem 17. Jahrhundert mit der barocken Residenz verband. Die hohen Gebäude dahinter sind die Ost und die Nordfassade der Kaiserhoftrakte, die um 1616 fertiggestellt waren. Max I. Joseph hatte der Front zum Hofgarten eine schlichte klassizistische Fassade vorblenden lassen, aber die beiden flankierenden Giebel nicht angetastet.


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Heute: Klenze war da weniger von Skrupeln angekränkelt: Er pflegte die barocke Bausubstanz in die monumentale Gesamtfassade des neuen Festsaalbaus ein, die im Westen und Osten von gewaltigen Eckpavillons eingefasst wird. Die maximilianischen Fassaden zeigen sich seitdem nur noch dem Flaneur, der den Kaiserhof durchquert.

So bieten Quaglios Gemälde noch heute zahlreiche interessante Informationen über das Münchner Stadtbild im frühen 19. Jahrhundert – zu bedauern bleibt nur, dass er nicht auch eine Serie von Innenansichten der Residenz geschaffen hat, die dann zweifellos als ähnlich aussagekräftige Bilddokumente zahlreiche offenen Fragen zu beantworten helfen könnten!

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